Pico ist mit über 100 Vulkanen die Ilha Montanha oder auch die Ilha Negra. Mit 448km² ist sie die zweitgrößte Insel der Azoren und bekannt für süffigen Wein, tiefschwarzes Gestein und viele Wale.
Auf der zum Großteil von Steilküste umgebenen Insel findet man den mit 2.351m Höhe gleichnamigen Berg Pico mit seinen steilen Flanken, übrigens Portugals höchste Erhebung und der dritthöchste Gipfel im Atlantik. Er hat im Winter eine schneeweiße Mütze auf und ragt majestätisch in die Wolken. Zeigt er seinen Wolkenhut, so steht ein Wetterwechsel bevor. Eine Besteigung dieses wahren Giganten der Vulkane ist in jedem Fall ein besonderes Erlebnis, erfordert aber ein ausreichendes Mass an Kondition und ist nichts für Unerfahrene.
Nur 6 km trennen Pico und Faial voneinander, doch der breite Kanal trennt Welten. Die Insel ist mit geschätzten 300.000 Jahren die jüngste Azoreninsel. Fast ebenmäßig erhebt sich der Pico aus dem Meer. Von seinem Gipfel aus überblickt man die ganze Insel und hat auch freie Sicht auf Faial und Sao Jorge – vorausgesetzt um den Berg hängt einmal nicht die gewohnte Dunst- und Nebelglocke. Auch Terceira ist an klaren Tagen in der Ferne zu entdecken. An den Schwefeldämpfen aus den Fumarolen am Gipfel erkennt man, dass der Vulkan noch immer aktiv ist.
Pico wurde ab 1460 besiedelt. Zuerst einmal mußten die Lavabrocken beiseite geschafft werden. Die Humusschicht auf den kleinen geschaffenen Feldern war aber nur dünn. Die Obst- und Weingärten machten und machen bis heute viel Arbeit. Angebaut wurde anfangs Weizen, Pastell, Wein und später auch Orangen. Nachdem Vulkanausbrüche die Felder verwüsteten und Mehltau und Rebläuse die Orangenplantagen und Weinreben im 18. Jahrhundert vernichtet hatten setzte man die landwirtschaftliche Zukunft nur noch in neue resistente Rebsorten oder beschränkte sich auf den Fischfang.
1718 spuckte der Pico zuletzt auf einer Höhe von rund 1.300m. Die Lava floss dabei nach Norden in Richtung Santa Luzia. Man hielt es für einen Wutanfall Gottes. Heute schläft der Berg, er ist aber noch immer aktiv. Inzwischen ist der Pico unter wissenschaftlicher Kontrolle. Über einen Satellit gehen Sensordaten direkt an die Universität in Ponta Delgada. In Piedade im Osten der Insel werden auch die schwächsten Erdstösse aufgezeichnet.
Der Pico war schon immer eine Bedrohung für die Bevölkerung. Vier Mal ist er allein während der letzten 500 Jahre ausgebrochen und hat inzwischen die Insel fast vollständig mit Lava bedeckt. Die Lavafelder waren fürs Volk ein Rätsel (misterio). Überall lagern schwarze Lavabrocken.
Wo man keine Steine mehr benötigt, werden einfach riesige Haufen getürmt. Man benötigt das Ackerland. Es ist rar auf Pico. Der Vulkanismus hat aber seine positive Seite: die Lava war und ist noch heute Baustoff für die inseltypischen schwarzen Steinhäuser und Mauern. Letztere schützen den Wein vor dem Seewind.
Rund um den Berg Pico gibt es einige Vulkanhöhlen, die teils tief in den Berg reichen. Auch die längste Vulkanröhre der Azoren befindet sich auf der Insel. Die Gruta das Torres bei Criacao Velha ist inzwischen auf einem Teil für Touristen begehbar. Allgemein sind die Höhlen gefährlich und sollten nur mit einem Führer begangen werden.
Die Hänge rund um die Insel sind weitgehend bewachsen. Lorbeer, Wacholder und Baumheide haben einen dichten Wald gebildet.
Das Hochland ist wirtschaftlich kaum nutzbar. Hier hat sich der ursprüngliche Lorbeerwaldes erhalten. Die Küste dagegen ist relativ flach aber schroff und rund um die Insel geprägt von scharzen Lavamassen mit scharfen Kanten und bizarren Felsformationen. Gerade im Norden rund um Cachorro findet man die meisten Felshöhlen und -spalten an der rauhen Küste. Die Südseite ist bis in höhere Lagen bewohnt und urbar gemacht. Die Nordseite dagegen ist dichter bewaldet und nur dünn besiedelt.
Es gibt rund um Pico viele kleine Häfen. In ihrer Nähe hat man auch an allen Ecken kleine Naturschwimmbecken aufgebaut.
Schwerer zu finden sind da schon die Strände. Sie muss man hier lange suchen. Für Badeurlaub ist Pico nicht geeignet.
Den Picarotos läßt das Vulkanmassiv nur am Inselrand Platz zum leben. Die knapp 15.000 Einwohner können daher nur kleine, küstennahe Gebiete landwirtschaftlich nutzen. Auf den Terassen wachsen viele Früchte. Die meisten Lavazungen sind heute vielfach unter dichtem Grün verschwunden. Die steinernen Schwülste erkennt man aber noch.
Die pechschwarzen Steine sind auch die Grundlage zum Leben auf Pico: auf keiner anderen Insel findet man noch soviele alte Natursteinhäuser und Bodegas. Die Dörfer sind schlicht gehalten. Fast jeder hat noch Garten, Stall und Speicher um sein Haus herum.
Hauptstadt ist Madalena. Der Ort ist allerdings mehr ein ausgeprägtes Dorf mit aufkommender touristischer Infrastruktur. Von hier aus kommt man tagsüber regelmässig mit der Fähre hinüber nach Horta auf Faial.
Außer Madalena gibt es noch zwei weitere, wichtige Orte: Lajes mit dem ältesten Stadtrecht und Sao Roque bzw. Cais do Pico als weiteres kulturelles Oberzentrum. Rings um die Insel findet man eine Reihe hübscher Ortschaften, die alle einen eigenen Hafen oder Meereszugang haben. Orte im Inselinneren sucht man vergeblich. Die meisten Häuser entwickelten sich an den Küstenstrassen entlang zu ausgeprägten Strassendörfern, die größer wirken, als sie tatsächlich sind. Die Infrastruktur ist gering, so dass man nur wenig unternehmen kann. Der Osten ist dünner besiedelt. Wenn auch immer mehr Felder brach liegen und zu grünen Viehweiden umfunktioniert werden, so baut man immer noch Wein, Kartoffeln, Gemüse und Mais für den Eigenbedarf an. Auch Obstbäume findet man auf Pico. An der Nordküste sind viele Häuser und Flächen aufgegeben. Hinter den Ummauerungen sind die Felder aufgegeben und viele Familien emigrierten in den vergangenen 50 Jahren nach Übersee.
Die Mitte der Insel bildet die bis auf 1.000m ansteigende Hochfläche Planalto da Achada, die von allen Richtungen aus auf teils kleinen Sträßchen zu erreichen ist. Dutzende Vulkankegel sind hier aneinander gereiht. Dazwischen breiten sich Wiesen, Weiden, Wälder sowie kleine Seen und Tümpel aus. An einigen Seen quaken die Frösche und rasten die Vögel. Die Nordseite dieses Bergrückens ist meist steiler als der südliche Teil und zugleich dichter bewaldet. Die Hochfläche ist ein Paradies für Naturliebhaber und Wanderer. Hier gedeiht eine Reihe endemischer Pflanzen. So mag die Insel auch zu Zeiten der ersten Siedler im 15. Jahrhundert ausgesehen haben. Ein 1.500ha großer Teil dieser Fläche oberhalb von 1.200m ist als geschützte Zone ausgewiesen. Oft ziehen allerdings Nebelschwaden über die Hochfläche.
Ein Großteil ist gerodet. Grasland, Weiden und Wälder werden zum Großteil bewirtschaftet. Auch auf Pico werden zahlreiche Kühe gehalten. Aus ihrer Milch produziert man den Käse von Sao Joao. Wer also mit dem Auto durchs Hochland fährt sollte auf freilaufende Rindviecher acht geben. Schöner und erlebnisreicher i st allerdings eine Wanderung oder Fahrradfahrt durch diese Osthälfte der Insel.
Gerade im Norden und Westen pflegt man den Weinbau. Neben dem schweren Rotwein produziert man den berühmten und ebenso teuren Verdelho. Er eignet sich besonders als Aperitif und wurde einst bis ins ferne Russland geliefert. Hüfthohe schwarze ‚moroicos‘ überziehen die Region wie ein Spinnennetz. Die Lavasteinmauern schützen vor Wind und speichern zudem die Wärme bis in die Nacht. Schon von weitem sind die kleinen Parzellen zu erkennen, in denen die edlen Reben gedeihen. Das ursprüngliche Weinbaugebiet ist inzwischen von der UNESCO als Weltkulturerbe ausgezeichnet. In dem schwierigen Terrain ist kein Maschineneinsatz möglich. Noch bis heute fordert der Weinbau die Weinbauern und ihre Handarbeit. In ihren Adegas lagert nicht nur ihr Arbeitswerkzeug. In den kleinen Steinhäusern wohnt man im Sommer und brennt leckere Schnäpse aus Feigen, Pflaumen oder Brombeeren. Auch der Wein wird oft noch vor Ort gekeltert.
Richtigen Aufschwung erlebte die Insel im 18. Jahrhundert als es noch einen großen Pottwalbestand gab. Pico war die Insel der Walfänger. Die Blüte kam im 19. Jahrhundert. Nicht umsonst verbindet die Azoreaner viel nach Übersee. Die Walfänger von Pico galten als ganz besonders mutig. Nicht umsonst hat ihnen Herman Melville in seinem Roman ‚Moby Dick‘ wohl ein literarisches Denkmal gesetzt. Die Harpuniere erlegten die Meeressäuger noch bis zum internationalen Verbot 1986 mit dem Speer. Bis 1983 war die letzte Walfangstation in Betrieb und noch heute weinen altgediente Männer den alten Zeiten hinterher. Nur gut 10m waren die Ruderboote lang, mit denen man den Meeressäugern jahrzehntelang nachstellte. Manch einer ließ dabei sein Leben. Zwei Museen zeigen heute ausführlich deren Geschichte: das Museo das Baleiros in Lajes und das Museu Industrial da Baleia in Sao Roque. Alte Schwarzweiß-Filme zeigen die einstige Bedeutung des Walfangs für die Bewohner der Insel. Die alte Walfabrik im Norden zeigt in Originaleinrichtung die frühere Verarbeitung der Wale.
Die Wale indes gibt es noch immer: heute ist aus dem Walfang allerdings eine Touristenattraktion geworden, denn selten kommt man so nah an die Riesensäuger als beim Whale-Watching vor den Küsten der Insel. 20 Arten sind registriert und kommen von Juni bis in den Herbst zur Nahrungsaufnahme in die Gewässer um die Insel. Es sind vor allem Pottwale, die man hier regelmässig vorfindet. Hat man genug Geduld, schwimmen Moby Dicks kleine Gesellen fast auf Griffnähe ans Boot heran. Wissenschaftler und Fotografen aus aller Welt kommen alljährlich auf die Insel.
Nach dem Ende des Walfangs wurde auf den Fang von Thunfischen umgestellt. In Madalena und Cais do Pico gibt es Fischkonservenfabriken, in denen man Thunfisch weiterverarbeitet. Inzwischen sind die Meere aber abgefischt und die Netze der Thunfischflotte von Madalena bleiben immer häufiger leer. Die Fischerei wird zwar auf Pico bis heute professionell betrieben, aber wie lange dieser Industriezweig noch genug Gewinn abwirft ist nicht abzusehen.