Santa Maria

Santa Maria bietet wenig Spektakuläres und ist bis heute nur die kleine Schwester der Nachbarinsel Sao Miguel geblieben. Dennoch bekommt Santa Maria ganz im Südosten des Archipels seinen Anteil an den Azorenbesuchern ab. Grund sind die schönen, hellen Sandstrände mit angenehmen Wassertemperaturen im Sommer und vor allem die meisten Sonnenstunden die man auf den Azoren erhalten kann.

Santa Maria ist nicht die typische Azoreninsel, auch wenn sie 1427 vom portugiesischen Seefahrer Diogo de Silves als erste Insel des Archipels entdeckt wurde.
Heute leben in den noch immer typischen Bauerngemeinden auf der Insel noch gut 5.500 Menschen. Sie züchten Rinder und Schafe und leben von der Landwirtschaft, denn Industrie gibt es auf Santa Maria wenig. Touristen gibt es nur wenige und die wenigen werden gleich erkannt. Das Gros der Fremden stellt im Sommer eine Schar von Auswanderern die für Wochen, manchmal Monate auf ihre alte Heimatinsel zurückkehren.

Hauptstadt ist im Südwesten Vila do Porto. Der Ort bietet ein paar Sehenswürdigkeiten: die Pfarrkirche stammt aus dem 15. Jahrhundert und das Rathaus ist in einem Kloster aus dem 16. Jahrhundert untergebracht. Das Leben spielt sich links und rechts der Hauptstrasse ab, die sich über einen Kilometer weit vom Hafen bis ins Hinterland hinauf zieht. An ihr sind Kirchen, Cafes, Restaurants, alte Gutshäuser und fast alle Geschäfte wie an einer Perlenschnur aneinander gereiht.

Geologisch gesehen ist Santa Maria die älteste Insel der Azoren. Vulkane sind hier schon lange nicht mehr aktiv. Es gibt Kalkstein und Tonerde. Man findet am Pico do Facho sogar Fossilien aus dem Tertiär und das Sedimentgestein ist einzigartig für die Azoren.

Die Insel ist gut erschlossen und die wenigen Sehenswürdigkeiten kann man mit etwas Eile an einem Tag sehen. Es gibt wie auf allen anderen Inseln auch auf Santa Maria viele Kirchen und Kapellen, Forts, Herrenhäuser, historische Gebäude von besonderem Interesse und eindrucksvolle Bauwerke im manuelischen und barocken Baustil.

Wer auf die Insel kommt sucht gewöhnlich eher die Ruhe. Die Stille auf dem Land und die schönen Strände laden wahrlich zu einem längeren Aufenthalt ein. In den Wäldern zwitschern munter die Vögel und von einem Touristenstrom blieb Santa Maria bislang glücklicherweise verschont. Die Insel ist daher gerade im Hochsommer eine auch klimatisch attraktive Alternative zu den Kanaren oder anderen klassischen Urlaubszielen. Wer auf den Azoren Badeurlaub machen möchte, ist hier genau richtig aufgehoben und findet an den Sandstränden in Praia Formosa und Sao Lourenco genügend Freiraum für sich.

Aber auch für Wanderfreunde hat Santa Maria noch einige attraktive Wege zu bieten. Zwar sind die meisten ehemaligen Verbindungswege inzwischen überwuchert oder durch Erd- oder Teerstrassen ersetzt, man findet dennoch noch einige Passagen der alten Saumpfade und kann so quer durch dichten Wald, Grasland und bezaubernde Dörfer die Insel und ihre Menschen problemlos kennenlernen.

Auch im Winter ist Santa Maria vielleicht noch die angenehmste Insel. Hier wird man noch von der Sonne verwöhnt.
Kein Wunder also, dass die Azaleen, Calas und Montbretien hier als erstes blühen. Trotzdem besitzt Santa Maria das trockenste Klima der Azoren. Das führt auch dazu, dass gerade in den Sommermonaten das Gras auf der Westseite sein Erscheinen von saftigem Grün in eine eher triste braune Trockenlandschaft wechselt.

Die Landschaft wirkt damit ein wenig eintönig. Der gesamte Westen um Vila do Porto, Almagreira und Sao Pedro ist weitgehend eben und landschaftlich nicht gerade attraktiv. Er gleicht gerade im Sommer ein wenig einer gelb-braunen Steppen- und Wüstenlandschaft. Hier wachsen Agaven und Kakteen. Auf den riesigen Weiden machen sich im fruchtbaren grünen Frühjahr die Kühe breit. Im Sommer indes ist das Gras dürr. Hier liegt seit 1944 auch die lange Landebahn und das alte Amerikanerviertel Aeroporto mit einer Mischung aus Wellblechhütten und einem Neubaugebiet ohne Flair.

Das Zentrum überragt der 587m hohe Pico Alto mit seinem langgezogenen Bergrücken. Seine Flanken sind von einem dichten, teilweise subtropischen Waldgürtel bedeckt, der bis in die angrenzenden Dörfer hinunter reicht. Hier gedeihen unter anderem Baumheide (erica azorica), Heidekraut (calluna vulgaris), Wacholder (juniperus brevifolia) und Lorbeer (persea indica).
Im Osten klimmen in den Gemeinden Santa Barbara und Santo Espirito sanfte, immergrüne Hügel empor. Welch ein Gegensatz zum tristen Westen. Kleine Dörfer mit verstreuten Häusern liegen hier malerisch in herrlichem Grün eingebettet. Im Norden findet man hauptsächlich Weideland, auslaufende Hügelketten und Blumenteppische. Von zahlreichen Aussichtspunkten aus kann man die Landschaft geniessen und in die schönen Buchten hinab blicken. Zu den schönsten Aussichtspunkten zählen die Miradouros von Fontinhas, Lagoinhas und Espigao.

Am Meer liegen lauschige Badebuchten. An ihnen lockt für die Azoren ganz untypisch heller Sand. Die romantischen Buchten und Strände von Santa Maria sind wohl die Schönsten der Azoren. Praia Formosa ist der Familienstrand der auch für Familien mit kleineren Kindern geeignet ist. Auch für Surfer ist die Bucht ein Paradies. Sao Lourenco ist etwas für Romantiker – sowohl der Ort als auch die Bucht mit ihren bis weit hinauf reichenden Weinterrassen entzücken. Der Salto da Raposa, ein 80 Meter hoher Wasserfall im Norden, ist eine Wanderung wert.

Eine Besonderheit sind auch die beiden Lavahöhlen von Pombas (337m) und Anjos (118m). Ein Führer und entsprechendes Equipment ist allerdings für die Besichtigung der alten Lavagänge notwendig.

Der Boden auf Santa Maria ist so fruchtbar wie auf keiner anderen Insel. Es gibt Weingüter, Palmen und Windmühlen. Inzwischen hat man mit Erfolg den Anbau von Melonen begonnen, die in den Sommermonaten überall eine billige und willkommene Erfrischung sind. Die Früchte wachsen und gedeihen nicht nur hervorragend, sie sind wegen ihres hervorragenden Geschmacks auch für den Export geeignet. Typisch für Santa Maria sind die weissen Schornsteine. Ihre Form – rund oder eckig – deutet noch heute auf die Herkunft der ursprünglichen Bewohner aus der Algarve und dem Alentejo. Viele Menschen backen ihr Brot auch noch im eigenen Backofen.

Genauso typisch sind die bunt umrahmten Fenster. Die Häuser sind für gewöhnlich weiß getüncht. Die Fenster- und Türrahmen sind in einem intensiven Farbton angemalt. Diese Farbtöne sind von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich: in Santo Espirito trifft man auf grüne Rahmen, in Santa Barbara auf blaue, in Almagreira auf rote, in Sao Pedro auf gelbe und in Vila do Porto auf rotbraune.

Bis ins 17. Jahrhundert hinein sorgten der Export der Färberpflanze Pastell und der Flechte Urzela für Wohlstand bei der kleinen Bevölkerung. Aus den Siedlerjahren stammt das Töpferhandwerk. Bis in die 80er Jahre des 20. Jahrhunderts fertigte man noch Tongeschirr und Dachziegel. Die grosse Fabrik in Vila do Porto ist inzwischen aber stillgelegt und auch die Tonerde aus dem Norden der Insel wird kaum noch exportiert.

Ihren heutigen Lebensstandard verdankt die Insel einer amerikanischen Militärbasis. Ihr 1944 errichteter Flugplatz mit der endlos langen Landebahn brachte später in ziviler Hand Arbeit und Geld. Er war wie geschaffen als Zwischenstopp für Transatlantikflüge. Die Amerikaner bauten einfache Wellblechunterkünfte, ein Kino, Schwimmbad und die Sporthalle. Fast doppelt soviele Menschen wie heute lebten damals auf der Insel. 1947 übergaben die Amerikaner ihre Basis in zivile Hand. Nun konnte das Leben so richtig blühen. Wer auf die Azoren wollte stieg auf Santa Maria von der großen Verkehrsmaschine ins Kleinflugzeug um. Alle Proellermaschinen ülandeten auf dem Weg über den nördlichen Atlantik auf Santa Maria. Auch die Concorde setzte hier zur Zwischenlandung an. Für die damals Jungen entstand ein Traum, geführt von Coke, Kino und Kühlschränken. Heute sind die damals Jungen alt und der Traum ist geplatzt und schwebt nur noch in Erinnerungen.
Denn 1962 schließlich kam das Drehkreuz im Atlantik zum Stehen. Der große Ansturm war vorbei. Neue Maschinen schafften es ohne Zwischenstopp über den Atlantik und Ponta Delgada war das neue Tor zu den Azoren. Seitdem landen nur noch Inselhüpfer. Heute ist auf Santa Maria immerhin noch eine Luftüberwachung für den Nordatlantik stationiert.

Die Insel hat seitdem merklich an Bedeutung verloren und die kleinen Dörfer haben den Charme vergangener Tage wieder angenommen. So hat man Ende der 80er Jahre eine Freihandelszone geschaffen um neue Anreize zu geben. Investoren zögern aber bis heute. Noch ist Santa Maria also ein verstecktes Sommerparadies.

Auf Santa Maria feiert man im August auch das berühmte Musikfestival Maré de Agosto. Jung und Alt tanzen und feiern dabei rund um die Freilichtbühne in Praia Formosa.